Freitag, 23. August 2013

"Ich hoffe, die Gerechtigkeit wird siegen"

Hannes Kartnig wartet auf seinen Berufungsprozess. Wie geht es ihm eigentlich?

"Falter" Nr. 39 / 2012 vom 26.09.2012 Seite: 53
Ressort: steiermark

Erkundung: Christoph Heshmatpour



Er ist kein Mensch, der sich durch besondere Tiefstapelei auszeichnet. Der Falter trifft Hannes Kartnig - oder besser gesagt: Kartnig gewährt Audienz - an einem sonnigen Septembernachmittag auf der Terrasse des Grand Hotels an der Wiener Ringstraße, eine der besten Adressen der Stadt. In der Lobby hängen prächtig funkelnde Luster, die Kellner tragen Fliege und servieren diskret. Kartnigs unablässig bimmelndes Smartphone steckt in einer goldfarbenen Hülle. Als der ehemalige Justizminister Dieter Böhmdorfer, auch als einstiger Haus- und Hofanwalt Jörg Haiders bekannt, einige Tische weiter Platz nimmt, begrüßen die beiden einander herzlich mit "der beste Justizminister“ und "der beste Präsident“. "Der Böhmdorfer, weißt eh noch, oder?“, raunt Kartnig. "Ich kenn sie alle.“

Und alle kennen ihn. Hannes Kartnig, 60, ist ein korpulenter Mann mit Fünftagebart und gegelter Strizzifrisur. Früher einmal war er Präsident des Fußballvereins Sturm Graz. Der Club gewann unter Kartnig 1998 als erster steirischer Verein überhaupt die österreichische Meisterschaft. Dreimal nahm Sturm an der Gruppenphase der europäischen Superliga Champions League teil, wurde einmal sogar Gruppensieger. Sturm Graz war plötzlich ein europaweit bekannter Fußballverein, Präsident Kartnig in Österreich weltberühmt. Der Club machte Millionen, doch die waren bald wieder weg. Hannes Kartnig, der wegen seines extrovertierten und schrillen Auftretens "Sonnenkönig“ genannt wurde, geriet in Erklärungsnotstand.

Jemand musste Hannes K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. Ungefähr so muss sich Kartnig gefühlt haben, als er im Mai 2007 plötzlich in Untersuchungshaft saß. Abgabenhinterziehung, Veruntreuung und Untreue sowie betrügerische Krida und grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen wurden ihm vorgeworfen, in Sachen Steuerhinterziehung zeigte er sich geständig. Schließlich wurde Kartnig im vergangenen Februar in erster Instanz zu fünf Jahren unbedingter Haft und einer Geldstrafe von mehr als 6,5 Millionen Euro verurteilt, das Verfahren geht in Berufung. "Eins sag ich gleich, über die Strafe rede ich nicht“, sagt er. Dafür redet Kartnig umso lieber über Fußball. Dann hellt sich sein rundes Gesicht mit einem fast kindlichen Lächeln auf, er kneift die Augen zusammen, als müsse er Lachtränen zurückhalten. Sogar auf den Cayman Islands, das habe er dort erfahren, sei Sturm Graz ein Begriff gewesen, und überhaupt: "Die Spieler haben gut gelebt, die Journalisten haben gut gelebt, die Wirtschaft hat gut gelebt. Es gab ja genug Aufträge. Alle haben wir’s gut gehabt.“

Leute, die beim elf Monate dauernden Prozess im Grazer Straflandesgericht dabei waren, wissen zu erzählen, dass Kartnig auch im Gerichtssaal der Schmäh nie verlassen hat. Mit seinen Geschichtchen und Anekdoten brachte er das Publikum immer wieder zum Lachen. Erst am letzten Tag habe ihm gedämmert, dass das alles kein Spaß ist. Die Steuervergehen hatte er als nicht so schlimm erachtet, immerhin habe Sturm ja trotzdem genug Abgaben gezahlt. Und für unangreifbar hat er sich gehalten, weil er in Wien und Graz mächtige Freunde hatte. Doch die vielen Menschen, die einst seine Nähe gesucht hatten, als er noch der Sonnenkönig war, wollen heute nichts mehr von ihm wissen. Zumindest offiziell.

So bestritt der als Zeuge geladene Milliardär Frank Stronach, immerhin Kartnigs Trauzeuge, während des Prozesses, dass die beiden Freunde seien. Doch ein paar "Freunde“ dürften ihm schon geblieben sein, vor zwei Wochen war Kartnig beim Fußball-Länderspiel gegen Deutschland immerhin im VIP-Club geladen. Dennoch brummt er: "Zuerst wissen sie gar nicht, wie hoch sie dich tragen sollen, und dann kehren sie dir den Rücken zu.“ Das sonst an diesem Septembernachmittag so zufriedene Gesicht verdunkelt sich erstmals, Kartnig beteuert, dass er sich persönlich niemals bereichert hat.

Zu den Spielen von Sturm Graz geht Kartnig nicht mehr, aus seiner Ablehnung der aktuellen Vereinsführung macht er kein Geheimnis. Präsident Christian Jauk bezeichnet er als "Gehaltsempfänger“, der nicht einmal "ein Milliönchen“ in den Verein stecken könne. Allerdings backe er selbst mit seiner Plakatwerbefirma heute auch nur mehr "kleine Brötchen“.

Was von der Zeit mit Sturm Graz bleibt? "Nur super Erinnerungen“. Da ist es wieder, das große Kind, das einfach eine Riesengaudi hatte. "Millionen Menschen haben eine Freude gehabt“, sagt er. Und der Prozess, die Verurteilung? "Das ist in Berufung, dann schauen wir weiter“, winkt Kartnig ab. Dann sagt er etwas, das man nicht für möglich gehalten hätte: "Ich hoffe, die Gerechtigkeit wird siegen.“ F

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