Freitag, 5. April 2013

Der heilige Schein

In: Falter 40/2012, S. 15
Ressort: Politik



Ein neues Buch enthüllt, wer das kirchliche Wirken wirklich finanziert

Christoph Baumgarten war über die offizielle Reaktion dann doch überrascht. "Ich hätte nicht gedacht, dass die römisch-katholische Kirche Werbung für unser Buch macht“, sagt er mit einem recht zufriedenen Gesichtsausdruck. Vor einigen Tagen ist es erschienen, unter dem Titel "Gottes Werk und unser Beitrag“ beschäftigen sich Baumgarten und der deutsche Autor Carsten Frerk mit der Finanzierung der katholischen Kirche in Österreich. Das Ergebnis: "80 Prozent des kirchlichen Apparats“, sagt Baumgarten, seien öffentlich finanziert. Eine Feststellung, die die Bischofskonferenz dazu veranlasste, am Wochenende vor der Präsentation des Buchs eine Homepage online zu stellen, die diese Aussage widerlegen soll. "PR-technisch hat uns das wohl einfach nur mehr Aufmerksamkeit gebracht“, meint Baumgarten.

3,8 Milliarden Steuergeld
Die "Finanzgebarung der katholischen Kirche“ wurde nun also öffentlich gemacht. Zum überwiegenden Teil finanziere sie sich durch den Kirchenbeitrag, sagt die Kirche selbst. "Ich verstehe die Diskussion ehrlich gesagt nicht“, meint Josef Weiss, Finanzdirektor der Erzdiözese Wien. 105.175.802,72 Euro betrugen die offiziellen Einnahmen der Erzdiözese Wien im Jahr 2011, mehr als 92 Millionen davon entfallen auf den Kirchenbeitrag. "Staatsleistungen“ scheinen in dieser Aufstellung nur als durch den Staatsvertrag geregelte Entschädigungszahlungen für im Nationalsozialismus enteignete Güter auf.

Baumgarten und Frerk kommen zu dem Schluss, dass 3,8 Milliarden Euro jährlich aus öffentlichen Geldtöpfen in katholische Institutionen fließen. Christoph Baumgarten bezeichnet diese Summe als "Untergrenze“, die Geldflüsse aus unzähligen Budgets seien unübersichtlich, wahrscheinlich hätten die Autoren noch nicht alles entdeckt.

Wieso divergieren die Aussagen so deutlich? Ein Grundproblem ist, dass man das Wort "kirchlich“ sehr unterschiedlich auslegen kann. Rechtlich gesehen besteht die römisch-katholische Kirche in Österreich aus tausenden Körperschaften, jedes Kloster ist so etwas wie eine unabhängige Firma. Der Kirchenbeitrag geht auf ein Konto der Erzdiözese, die das Geld etwa zur Hälfte an die Pfarren verteilt, der Rest wird für Diözesanes aufgewandt. "So etwas wie einen Finanzausgleich mit den Klöstern gibt es nicht“, sagt Josef Weiss.

Doch zeigen die wenigen veröffentlichten Zahlen nicht, über welche Geldmittel die Kirche tatsächlich verfügt. "Dem die Überschrift ‚Finanzgebarung der katholischen Kirche‘ zu geben, ist eine so vorsätzliche Irreführung, dass man es auch als Lüge bezeichnen kann“, schreibt der Theologe und ehemalige Kommunikationsdirektor der Erzdiözese Wien, Wolfgang Bergmann, in einem offenen Brief über die Finanzgebarungs-Homepage. Er vergleicht die veröffentlichten Zahlen mit dem Versuch, die Budgets der neun Landesregierungen zu addieren und als Staatsvermögen auszugeben, ohne Bund, Gemeinden oder staatliche Betriebe in die Rechnung miteinzubeziehen.

Skandal? Darum geht´s nicht
"Es geht dabei gar nicht darum, dass das Finanzgebaren der Kirche ein Skandal oder illegal wäre“, sagt Christoph Baumgarten. "Aber die Kirche heftet sich soziales Engagement für die Allgemeinheit ans Revers und bezieht einen Imagegewinn aus Leistungen, die eigentlich staatlich finanziert sind.“ So ist etwa die soziale Hilfsorganisation Caritas zum überwiegenden Teil von öffentlichen Geldern abhängig, auch das Lehrpersonal an katholischen Privatschulen und den katholisch-theologischen Fakultäten der österreichischen Universitäten wird vom Staat bezahlt. An Ordensspitäler fließen 1,8 Milliarden Euro öffentlicher Mittel. "Die Kirche erbringt Leistungen für die Allgemeinheit, die dem Staat Geld ersparen, weil er sie sonst selbst erbringen müsste“, hält dem Paul Wuthe, Leiter des Medienreferats der Bischofskonferenz, entgegen. Er kritisiert nicht die recherchierten Zahlen der Autoren, jedoch die "einseitige Darstellung“ der Kirchenfinanzen. "Man hätte genauso gut das Buch schreiben können ‚So viel erspart die Kirche dem Staat‘.“ Schließlich bleibt, dass die Kirche ihr soziales Engagement nur mithilfe der öffentlichen Hand bewältigen kann. Ob das gut oder schlecht ist, hängt von der Sichtweise ab.



Carsten Frerk, Christoph Baumgarten: Gottes Werk und unser Beitrag - Kirchenfinanzierung in Österreich. Czernin, 284 S., € 24,90

Website des Buchs: kirchenfinanzierung.at

Katholischer Konter: kirchenfinanzierung.katholisch.at